Als Diplompsychologe mit einem entwicklungsorientierten Menschenbild und einem systemischen Hintergrund bedeutet die Übernahme eines Gutachtenauftrags eine besondere Herausforderung. Auf der einen Seite sind das, was die Familie und ihre Mitglieder mir zeigen, unterschiedliche, sich oft widersprechende Einblicke in den derzeitigen Stand der Entwicklung. Auf der anderen Seite erwartet das Gericht mit Recht eine klare Antwort auf seine Fragestellung.

Da ich in der Regel Familiengerichte bei der Erörterung von Sorge- und Umgangsrechtsfragen mit meinem Sachverstand unterstütze, liegt meine Lösung für das oben benannte Spannungsfeld in einer gemeinsamen Lösungssuche mit der Familie. Wann immer möglich, versuche ich die Blicke der beteiligten Erwachsenen auf das Kind oder die Kinder zu lenken und gemeinsam herauszufinden, was die beste Lösung sein könnte. Die Wünsche und Befürchtungen der Kinder versuche ich in Einzelexplorationen zu erfahren. Je nach Alter ermuntere ich die Kinder oder Jugendlichen, ihre Interessen auch selber in die Lösungsfindung mit einzubringen. Wenn sie das nicht können oder wollen, übernehme ich die Rolle, ihre Sichtweise in den Prozess einzubringen.

Dieser Weg, statt einer Begutachtung im klassischen Sinn gemeinsam Lösungen zu suchen und zu finden, gelingt unterschiedlich gut und manchmal auch gar nicht. Immer aber entstehen durch den Versuch Bilder, die von den einzelnen Familienmitgliedern selber stammen und ihre Wünsche und Befürchtungen wiedergeben. Zusätzlich zu diesen Informationen ziehe ich beim Scheitern einer gemeinsamen Lösungssuche Erfahrungen von mit der Familie verbundenen Personen (Verwandte, LehrerInnen, ÄrztInnen usw.) hinzu. Auf diese Weise entsteht ein mosaikhaftes Bild, dass mich beim Finden einer Antwort auf die Frage des Familiengerichts unterstützt. Die Lösungen, die ich dann vorschlage, stehen so auf möglichst vielen Füßen und werden der Entwicklung der Familie - hoffentlich - gerecht.

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